Kultur. Gut. Erforschen.

Schritte in die Vergangenheit eröffnen immer Wege: Wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart besser verstehen und Zukünftiges besser planen. Bamberger Forschende der Archäologie, der Denkmalwissenschaften, der Orientalistik, der Europäischen Ethnologie und der Kunstgeschichte arbeiten in Bamberg in einem einzigartigen Fächerverbund und in kollegialer Gemeinschaft zusammen.
Sie erschließen, dokumentieren und bewahren die kulturellen Güter der Menschheit, die materiellen und immateriellen. In der UNESCO-Welterbestadt Bamberg gibt es viel zu tun, doch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler packen auch häufig ihre Kameras, Scanner, UV-Lampen und Zeichenblöcke ein: Sie sind in der ganzen Welt aktiv.

Kurze Wege

„Kannst du dir das mal kurz anschauen?“
Dieser Satz hat es in sich. Wenn er auf den Fluren des Instituts für Archäologische Wissenschaften, Denkmalwissenschaften und Kunstgeschichte (IADK) ausgesprochen wird, löst er nicht selten Begeisterung aus. „Einmal haben wir uns einen Wagen gemietet und sind für fünf Tage nach Frankreich gefahren. Zurückgekehrt sind wir mit zwei Projekten und dem Konzept für einen neuen Studiengang.“ Dr. Stephan Albrecht, Professor für Kunstgeschichte, insbesondere für Mittelalterliche Kunstgeschichte , schätzt genau das am forschenden Miteinander an der Universität Bamberg: kurze Wege, den direkten Draht zu den Kolleginnen und Kollegen.

„Kannst du dir das mal anschauen?“,
fragte Albrecht seinen Kollegen Dr. Thomas Eißing, Leiter des Dendrochronologischen Labors, und dieser fuhr mit ihm prompt nach Paderborn, um dort gotische Holzskulpturen zu begutachten. Diese wurden dann vermessen und datiert, eine Doktorarbeit geschrieben, das Konzept für eine große Gotik-Ausstellung daraufhin geändert.

„Dürfen wir uns das einmal anschauen?“,
fragte er die Direktorin des Musée de Cluny in Paris, Elisabeth Taburet-Delahaye, woraufhin er zusammen mit seinem Professorenkollegen Dr. Rainer Drewello aus der Restaurierungswissenschaft in der Baudenkmalpflege eine berühmte Adam-Statue unter anderem mit UV-Lampen und Röntgenstrahlen untersuchte.

Die Adam-Statue stand in einer Nische der Pariser Kathedrale Notre-Dame.

Dieser Adam ist untypisch, denn ihm fehlt der charakteristische Apfel, der auf den Sündenfall hinweist. Die Bamberger Wissenschaftler fanden heraus, dass die Statue allerdings auf die Vertreibung aus dem Paradies anspielt. In der entsprechenden Bibelstelle erscheint Adam ein Engel, der die Vertreibung verkündet, und er hört zu – die Armhaltung kann daher als Empfangsgestus gedeutet werden. Eine Untersuchung mit UV-Licht offenbarte, dass die Statue schon einmal komplett auseinandergenommen und wieder zusammengefügt wurde (siehe Vorher-Nachher-Grafik). Mit einem 3D-Scan konnte das Bamberger Forschungsteam schließlich herausfinden, in welcher Nische diese Statue in der Kathedrale Notre-Dame ursprünglich gestanden haben muss. 

Wer allein fragt, stellt immer dieselben Fragen.

Prof. Dr. Stephan Albrecht

Die Arbeit am Objekt steht dabei im Mittelpunkt. Aus einem geisteswissenschaftlichen Selbstverständnis heraus werden Fragen formuliert und diesen dann sowohl mit geisteswissenschaftlichen als auch naturwissenschaftlichen Methoden nachgegangen. „Manches führt ins Leere“, sagt Albrecht, „aber oft sind wir an etwas dran, und am Ende haben wir eine neue Erkenntnis, eine neue Erzählung über ein Objekt oder einen Prozess vorzuweisen. Das ist immer wieder ein Ansporn, das hört nicht auf.“ In Bamberg passiert es also, dass mehrere Professorinnen und Professoren aus unterschiedlichen Fachrichtungen zusammen auf einem Gerüst stehen und sich in ihrer Expertise perfekt ergänzen.

Beispielhaft ist hierfür die Untersuchung von sechs prominenten Portalen in Deutschland, Frankreich und Österreich, das Projekt heißt: Mittelalterliche Portale als Orte der Transformation. In Bamberg wurde die prachtvolle Gnadenpforte am Bamberger Dom untersucht. Die Ergebnisse sind vielversprechend: Der Denkmalforscher Rainer Drewello kann seither viel genauer sagen, welche Farbigkeit und Dekoration die Pforte ursprünglich einmal hatte und wie sie im Laufe der Zeit verändert wurde. „Meine Frage ist am Anfang: Was ist denn original an dem Portal? Und was wird uns heute gezeigt, das gar nichts mit der ursprünglichen Anmutung zu tun hat?“

Auch Dr. Stefan Breitling, Architekt und Professor für Bauforschung und Baugeschichte, kann dank der Studie nun besser beurteilen, wie eine Baustelle um 1200 n. Chr. organisiert wurde und sogar, welche Fehler passiert sind, etwa bei der Einrüstung, und wie daher mancher Riss am Gebäude zu erklären ist, der heute Sorgen bereitet. „Man hat sehr schnell gebaut, man hatte gute Vorplanungen und Musterbücher – die Verantwortlichkeiten waren viel stärker verteilt als bisher angenommen, es war ein Gemeinschaftswerk.“ Dieses Ergebnis kann der Kunsthistoriker Stephan Albrecht bestätigen, denn die Figuren am Portal wurden offenbar in Serie gebaut. Sie waren nicht die Arbeit eines einzelnen Meisters, was das lange gültige Konzept des genialen und vollverantwortlichen Baumeisters relativiert. Manche Skulpturen des Portals wurden sogar noch unfertig eingebaut, da in einer Bauphase offenbar die finanziellen Mittel erschöpft waren.

Die Grenzen der Fächer verschwimmen hier im Forschungsprozess: Der Kunsthistoriker wird zum Chemiker, der Architekt zum Philosophen, der Restaurierungswissenschaftler zum Historiker. Die interdisziplinären Kompetenzen aus Geistes-, Ingenieur- und Materialwissenschaft verbinden sich zu einer Forschungsleistung, die als Einzelwissenschaft gar nicht mehr denkbar wäre. Der Verbund erlaubt es, solche internationalen Großprojekte anzugehen und einem ganzheitlichen Blick auf die Biografie eines Bauwerks zu gewinnen.

Technologien und Verfahren der Kulturgutsicherung

Moderne Sensortechnik, bildgebende Verfahren wie 3D Scanning, Photogrammmetrie, multispektrale Aufnahmen, 3D-Druck und eine interaktive Vermittlung durch Virtuelle Realitäten. Die Zukunft der Kulturgutsicherung ist – auch – eine digitale.

Mit dem neuen Lehrstuhl für Digitale Denkmaltechnologien, den Prof. Dr. Mona Hess innehat, und einem entsprechenden Masterstudiengang ist die Bamberger Kulturgutsicherung eine Vorreiterin in der Entwicklung und Erprobung innovativer Technologien und Verfahren. Der Weg zu den Informatik-Fächern der Universität ist ebenfalls ein kurzer, die Türen stehen offen. Denn die Kolleginnen und Kollegen aus der anderen Fakultät entwickeln innerhalb ihres Schwerpunktes der Digitalen Geistes-, Sozial- und Humanwissenschaften mit ihnen gemeinsam Verfahren und Programme, die dabei helfen, Fragen und Probleme der Kulturgutsicherung zu lösen. „Kannst du dir das einmal anschauen?“ – dieser Satz hallt auch durch die Büros und Flure der Angewandten Informatik.

Experimentelle Archäologie

Genau das Gegenteil von Digitalisierung strebt die experimentelle Archäologie an. Schauplatz ist das beschauliche Städtchen Bärnau, direkt an der Grenze von Deutschland und Tschechien. Früher wurden hier Knöpfe hergestellt und in alle Welt exportiert, heute befindet sich in Bärnau ein Geschichtspark und das ihm angegliederte ArchaeoCentrum bayern-böhmen. Der Geschichtspark ist das größte archäologische Freiluftmuseum Deutschlands und hat einen besonderen Clou: Die Gebäude veranschaulichen unterschiedliche Zeitstufen des Mittelalters und wurden allesamt so erbaut, wie man das im Mittelalter nach heutigen Erkenntnissen auch getan hat. „Kein einziger Nagel hier stammt aus dem Baumarkt“, sagt der Archäologe Stefan Wolters, Leiter und Initiator des Geschichtsparks.

Die Besucherinnen und Besucher erfahren das Mittelalter, wie es wirklich ausgesehen und wie es sich wirklich angefühlt hat. Und das hat wenig mit den bunten Mittelaltermärkten oder dem Fantasy-Mittelalter der Rollenspielszene zu tun. Mit dem ArchaeoCentrum hat die Universität Bamberg in Kooperation mit zwei tschechischen Universitäten jüngst ein Mammut-Projekt begonnen: Auf dem Gelände des Geschichtsparks wird eine Reisestation aus der Zeit Karls IV. nachgebaut. Das wird vermutlich 20 Jahre dauern: Rinder schleppen die mit der Hand behauenen Steine aus dem eigenen Steinbruch zur Baustelle, Handwerker in mittelalterlicher Montur bearbeiten das Holz ohne Maschinen, nur mittelalterliche Techniken sind erlaubt. Wenn ein Kaiser auf Reisen war, hatte er es kommod, daher ist neben einer Kapelle und dem Unterstand für die Tiere ein ganzer Pallas zu bauen. Alles wird minutiös dokumentiert, und erst an dieser Stelle kommen dann wieder die modernen Technologien der Archäologie zum Einsatz.

Die Besucherinnen und Besucher sollen Archäologie zum Anfassen erleben und Geschichte verstehen lernen.

Prof. Dr. Ingolf Ericsson

Der Bamberger Archäologe Prof. Dr. Ingolf Ericsson, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, hat sich mit dem ArchaeoCentrum kurz vor der Emeritierung einen Herzenswunsch erfüllt. Fortgeführt wird das Projekt von seinem Nachfolger Prof. Dr. Rainer Schreg sowie Stefan Wolters vor Ort – die zusammen mit den Projektpartnern die nächsten Schritte angehen. Studierende und Forschende nicht nur der beteiligten Universitäten sind Teil dieses einzigartigen Experiments: Es darf gebaut werden.

Das ArchaeoCentrum bayern-böhmen repräsentiert das Profil der Universität Bamberg gleich auf mehreren Ebenen. Denn dieses Projekt zeugt von der Erforschung regionaler Zusammenhänge. Es ist ein internationales, von der EU-Strukturförderung unterstütztes Vorhaben, es ist nachhaltig und stärkt schließlich mit der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit eines der sogenannten Kleinen Fächer.

Ob Kunstgeschichte, Denkmalwissenschaften oder Europäische Ethnologie, jedes der kulturgutsichernden Fächer an der Universität Bamberg wäre für sich genommen ein kleines Fach. Aber im Verbund ergeben diese Fächer einen der vier großen Forschungsschwerpunkte und sind nicht wie andernorts gefährdet, gestrichen zu werden – im Gegenteil, sie werden stetig ausgebaut. Denn das, was sie erforschen, ist elementar für unser Handeln in der Gegenwart und für unsere Erwartung der Zukunft. Das kulturelle Gut und Erbe der Menschheit gibt Auskunft darüber, woher wir kommen und wer wir sind. Doch nicht zuletzt deswegen ist es in einigen Kontexten bedroht, und daher ist die Bewahrung und Dokumentation so wichtig. 

Bedrohte Denkmalkultur

Die kulturellen Güter, ob materiell oder immateriell, sind verschiedenen Bedrohungen ausgesetzt. Manchmal ist es schlicht der Zahn der Zeit, der an etwas nagt und restauratorische oder, falls dies nicht möglich ist, dokumentierende Maßnahmen nötig macht. Manchmal sind es wirtschaftliche Interessen, etwa Baumaßnahmen, die einen Bestand bedrohen, manchmal ist es schlicht der Zeitgeist, der von einem traditionellen Brauchtum oder Ritual nichts mehr wissen will. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen häufig schnell sein: Rainer Schreg etwa versucht derzeit, in Südserbien alte Dorfkirchen zu dokumentieren, bevor sie abgerissen und durch neue ersetzt werden. Die neuen Gotteshäuser werden nicht unbedingt aus religiösen, sondern zumeist aus Prestige- oder Selbstdarstellungsgründen gebaut.

Eine Geschichtsvergessenheit mit argen Konsequenzen, denn anhand der alten Kirchen lassen sich viele Erkenntnisse über die Siedlungsgeschichte von der Antike bis zur Neuzeit sowie der vergangenen und gegenwärtigen Glaubenspraxis gewinnen. Ein Wettlauf mit der Zeit: Rainer Schreg und sein Team möchten die Kirchen zumindest fotografisch so dokumentieren, dass daraus mittels der Technik Structure from motion digitale 3D-Modelle erstellt werden können. Dies ist für viele der Kirchen und Kirchenruinen der einzige Weg einer raschen Dokumentation, ergänzt durch Luftaufnahmen der umliegenden Topographie. Wenn dies noch gelingt, weitet sich der Blick von einzelnen Objekten hin zu einer ganzen Kulturlandschaft.

Bedrohte Erinnerungskultur in Syrien

Noch immer sind es aber Kriege und Terror, die unser Erbe gefährden. Dr. Michaela Konrad, Professorin für Archäologie der Römischen Provinzen, hat dies in Syrien unmittelbar erfahren. In dem seit 2011 andauernden Bürgerkrieg wurden bereits zahlreiche Denkmäler beschädigt oder zerstört. Heute wird über Syrien fast nur eine singuläre Geschichte von Terror, Zerstörung und Leid erzählt, doch Michaela Konrad hat ein ganz anderes Syrienbild im Kopf. Sie hat ein Land vor Augen, das nicht nur als römische Provinz, sondern schon weit davor ein bedeutender kultureller und wirtschaftlicher Transitraum war, eine Stätte der offenen Begegnung von Kulturen, von Innovationen, von florierendem Handel und kulturellem Austausch. „Die altmesopotamischen Großreiche hatten bereits weitreichende politische und kulturelle Beziehungen, diese wurden bereits von den Phöniziern, insbesondere aber in römischer Zeit zu einem komplexen Fernhandelssystem mit eigenen Handelsniederlassungen ausgebaut.“ In Ugarit an der Westküste Syriens ist die älteste Alphabetschrift entstanden, allein sechs UNESCO-Welterbestätten befinden sich im heutigen Gebiet der Arabischen Republik Syrien. Allesamt stehen sie seit 2013 auf der Roten Liste der bedrohten Welterbestätten, feldarchäologische Untersuchungen sind in Syrien seit geraumer Zeit unmöglich.

 

  • Prof. Dr. Michaela Konrad über das kulturelle Erbe in Syrien

Die Arbeit am kulturellen Erbe ist einer der Schlüssel für die Zukunft Syriens.

Prof. Dr. Michaela Konrad

Doch es sind nicht nur die steinernen Zeugnisse, die es zu erschließen und zu bewahren gilt, es sind gleichermaßen die Bräuche und Riten, die kulturellen Praktiken und Alltagshandlungen, die Identitäten stärken und Begriffe wie Heimat oder Herkunft prägen. Die UNESCO zeichnet daher seit 2003 auch kulturelle Praktiken als immaterielles Kulturerbe aus. Prof. Dr. Heidrun Alzheimer, Lehrstuhl für Europäische Ethnologie, ist im Expertengremium für das immaterielle Kulturerbe in Bayern tätig. Als erste deutsche Phänomene wurden die Genossenschaftsidee, die Falknerei sowie der Orgelbau und die Orgelmusik in die internationale repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Diese Auszeichnung stellt kein wertendes Instrument dar, sondern gilt als Mittel, Kulturerbeträger darin zu bestärken, ihre Traditionen zu erhalten.

Das immaterielle Kulturerbe

Wie bewahrt man aber das, was eigentlich im Fluss ist: gelebtes Leben, Aktivitäten, Bräuche, Rituale? In den Vitrinen vor Heidrun Alzheimers Büro sind aktuelle Forschungsprojekte der Europäischen Ethnologie ausgestellt. Sowohl materielle als auch immaterielle Kulturgüter werden in den Blick genommen: Alltagskulturen, Mode, der soziokulturelle Wandel des Nürnberger Stadtteils Gostenhof vom Scherbenviertel zum angesagten Szene-Wohngebiet mit steigenden Mietpreisen, die Krippenkultur im europäischen Vergleich. Manches ist sicht- und greifbar, manches ist fluide.

In ihrer Rolle als Expertin für das Immaterielle Kulturerbe taucht sie immer wieder in neue kulturelle Ausdrucksformen ein. Es geht um mündliche überlieferte Traditionen wie populäre Lieder, Märchen und Sagen, um traditionelle Handwerkstechniken wie das Spitzenklöppeln, den Blaudruck, das Korbflechten oder die Knopfmacherei, um darstellende Künste wie den Flamenco oder das Choralsingen, um Fest und Brauch von „A“ wie „Ansingen“ bis „Z“ wie „Zoiglkultur“ und schließlich um überliefertes Wissen in Bezug auf Natur und Universum – exemplarisch seien hier die hochalpine Alpwirtschaft, Heilkräuterwissen oder traditionelle Geburtshilfe genannt.  

Dabei ist Heidrun Alzheimer ein Aspekt besonders wichtig: Schützen und Bewahren heißt nicht, etwas in seinem Ist-Zustand zu konservieren, sondern Entwicklungen und Veränderungen zuzulassen, das wird häufig missverstanden. Die Aufnahme in das Kulturerbeverzeichnis beschert den Gemeinden und Kommunen mehr Aufmerksamkeit und nicht selten ein stark ansteigendes touristisches und mediales Interesse, was den Erhalt einer kulturellen Praxis einerseits erleichtert. Andererseits kann das aber auch zu Verlust von Authentizität und insbesondere in kleinen Gemeinden zur Überforderung der Einwohner führen.

  • Prof. Dr. Heidrun Alzheimer über Brauch und Kulturerbe

Wir wollen den wissenschaftlichen Background zur Verfügung stellen, damit kulturelle Aktivitäten und Phänomene weitergeführt werden können.

Prof. Dr. Heidrun Alzheimer

Die gesellschaftliche Relevanz

Das Interesse der Öffentlichkeit an Archäologie und archäologischen Funden ist groß, das beweist etwa der große Erfolg der Ausstellung Bewegte Zeiten im Gropiusbau in Berlin, in der archäologische Funde aus den letzten 20 Jahren, zum Beispiel die berühmte Himmelsscheibe von Nebra, gezeigt wurden. Doch die Archäologinnen und Archäologen selbst haben einen schlechten Ruf: Sie seien Schatzsucherinnen und Schatzsucher, denen es um Bereicherung, Ruhm und Sensationen geht. Dass sie Forschende sind und es ihnen vorrangig um wissenschaftliche Erkenntnis geht, wird mitunter vergessen. „Mein Fach muss viel stärker reflektieren, welche Botschaften und Narrative es der Gesellschaft glaubwürdig vermitteln kann und muss“, sagt dazu Rainer Schreg. Er betreibt daher seit Jahren einen eigenen Wissenschaftsblog, Archaeologik, in dem er die wissenschaftlichen Prinzipen und Theorien des Fachs darstellt, mit Vorurteilen und Missverständnissen aufräumt.

Die Archäologie wie die gesamten kulturgutsichernden Fächer agieren nicht im Elfenbeinturm, sie sind Teil politischer, wirtschaftlicher und touristischer Diskurse. Die Analyse menschlicher Vergangenheit und Kultur trägt Entscheidendes bei zum Verständnis unserer modernen Zivilisation, denn die Kausalketten reichen weit zurück. Doch was Kultur ist, was Heimat, was Identität, darauf Antworten zu haben, beanspruchen wieder zunehmend populistische Kräfte, die zwar starke Narrative einsetzen, doch dahinter verbirgt sich kaum eine faktische oder wissenschaftliche Substanz. Es ist ein Spiel mit Emotionen, mit Halbwahrheiten, mit fake news. Daher sind die Kulturwissenschaften herausgefordert, neben der wissenschaftlichen Substanz auch Narrative zu bieten, die in der Öffentlichkeit Gehör finden. Narrative, welche die menschliche Vergangenheit und Kultur in ihrer Komplexität zeigen, Zusammenhänge deutlich machen, negative Emotionen abschwächen. In diesem Sinne ist für Rainer Schreg jede wissenschaftliche Form der Kulturgutsicherung immer auch politisch, denn sie existiert nicht im luftleeren Raum, sie entsteht aus einer Gesellschaft heraus und wird von ihr getragen. Das bedeutet aber auch, dass Wissenschaft und ihre Akteurinnen und Akteure sichtbar sein müssen, und daher nutzt er die Kommunikationswege von Social Media, um Thesen, Projekte und Beispiele in die Öffentlichkeit zu tragen.        

  • Prof. Dr. Rainer Schreg über Kulturerbe und Identität

Es geht nicht darum, etwas zu finden, sondern darum, etwas herauszufinden – über unsere Vergangenheit, unsere Gegenwart und über uns selbst.

Prof. Dr. Rainer Schreg

Projekte

Die Vielfalt der Bamberger Kulturgutsicherung wird schließlich in ihren Projekten sichtbar. Forschende aus Bamberg waren und sind in aller Welt tätig, ohne das Welterbe vor der eigenen Haustür zu vergessen. Vom Domberg in Bamberg geht die Reise über Paris bis hin zu einer Ausgrabungsstätte im Iran. Die Wände der Gezeiten, das Gestern und das Heute, sind einander ganz nah.

Diese Multimedia-Reportage stellt den Forschungsschwerpunkt Erschließung und Erhalt von Kulturgut der Universität Bamberg vor.

Redaktion: Samira Rosenbaum
Text: Dr. Martin Beyer
Video: Christian Beyer

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